Ein Kreuzbandriss kann, ähnlich wie beim Menschen, durch ein Trauma (Sturz, Unfall, plötzliche Überbelastung) entstehen. Fast ausschließlich handelt es sich jedoch beim Hund um einen degenerativen Prozess.
Spencer wurde am 01.12.2015, im Alter von 7 Jahren, aufgrund eines diagnostizierten Kreuzband-Anrisses nach der TPLO-Methode am rechten Knie operiert.
Entgegen vieler Aussagen von betroffenen Hundebesitzern ist bis heute (Mai 2020) sein linkes Kreuzband nicht gerissen.
Ursache und Entstehung
Eine Abnutzung kann durch die normale Alterung oder durch eine ständige Überbelastung des vorderen Kreuzbandes entstehen. Diese Überbelastung wird durch Übergewicht, starke körperliche Belastungen oder einer abnormalen Ausbildung des Schienbeines verstärkt.
Diese ständigen Belastungen führen zu kleinen Verletzungen, die unter Narbenbildung abheilen. Durch diese Abfolge von Belastungen kommt es allmählich zu einer Schwächung des Bandes. Faser um Faser reisst ein, und aus dem Anriss wird schliesslich ein vollständiger Riss des vorderen Kreuzbandes,d.h.bei einer an sich normalen Belastung, die ein gesunder Hund problemlos aushält, reisst das Band irgendwann vollständig durch.
Die Stellung der Knochen, des Oberschenkelknochens (Femur), des Schienbeines (Tibia) und der Gelenksoberfläche zueinander gelten als wichtigste Faktoren für die Abnutzung des vorderen Kreuzbandes. Je nach Ausbildung dieser Knochen wirken Scherkräfte mehr oder weniger stark auf das Kniegelenk. Diese Kräfte belasten wiederum die Kreuzbänder, wobei das vordere Kreuzband ständig unter Spannung steht, da es ein Gleiten des Oberschenkels nach hinten verhindert.
Ist das Kreuzband teilweise oder voll eingerissen, kommt es zu einer Gelenkentzündung und einer Gelenkinstabilität . Die Entzündung führt dann durch die degenerativen Veränderungen zu einer Gelenkarthrose. Als Folge der Gelenkinstabilität werden weitere Strukturen überlastet oder können sich verletzen. Die Gelenkkapsel verdickt sich stark und versucht derweil, das Kniegelenk zu stabilisieren.
Als Folge der bestehenden Instabilität ist der innere Meniskus (ein Stück Knorpel als „Stoßpuffer“ zwischen Ober- und Unterschenkelknochen) häufig verändert. Der hintere Teil des inneren Meniskus kann reissen oder sich nach vorne umklappen. Dies führt zu starken Schmerzen und zu einer deutlichen Lahmheit des Hinterbeines.
Symptome
Schmerz, verursacht durch einen teilweisen oder vollständigen Riss des vorderen Kreuzbandes, ist der häufigste Grund für eine oft unterschiedlich ausgeprägte Hinterbeinlahmheit beim Hund.
Der Anriss oder der vollständige Riss des vorderen Kreuzbandes führt zu einer Instabilität des Kniegelenkes, zu einer Gelenkentzündung und zur Arthrosebildung im Kniegelenk. Das Ausmass der Symptome als Folge der Gelenkschmerzen kann sehr unterschiedlich sein. Betroffene Hunde brauchen z.B. nach dem Aufstehen eine gewissen Aufwärmphase bis sie besser gehen können, sie hinken entweder nur wenig, oder dann zeigen sie eine sehr deutliche Lahmheit oder gehen nur noch auf drei Beinen.
Untersuchungsmöglichkeiten
Die Diagnose des vorderen Kreuzbandrisses wird vor allem anhand der orthopädischen Untersuchung gestellt. Weitere diagnostische Hilfsmittel wie das Röntgen werden zur Bestätigung der Diagnose und zum Ausschliessen von möglichen anderen Ursachen einer Kniegelenksentzündung hinzugezogen.
Die orthopädische Untersuchung gliedert sich in das Aufnehmen der Vorgeschichte, in eine Analyse des Ganges im Schritt und im Trab, sowie einer genaueren Untersuchung des Kniegelenkes am stehenden und am liegenden Tier. Die eingeschränkte Beweglichkeit, Schmerzen im Kniegelenk, die Verdickung der Gelenkkapsel sowie die Gelenkfüllung sind Zeichen einer Kniegelenkentzündung.
Wichtige Informationen bezüglich des Kniegelenkes bekommt man durch zusätzliche Tests wie zum Beispiel dem Sitztest, dem Schubladentest und dem Tibiakompressionstest.
Der Sitztest wird zur Beurteilung der Kniegelenkbeweglichkeit angewendet. Häufig sind Hunde mit einem Anriss oder einem vollständigen Riss des vorderen Kreuzbandes nicht mehr fähig, das Knie ganz zu biegen und setzen sich seitlich hin, bzw winkeln das betroffene Knie ab (wie beim Frosch).
Der Schubladentest gibt Auskunft über die Stabilität des Kniegelenks. Ist das vordere Kreuzband vollständig gerissen, lässt sich der Unterschenkel gegenüber dem Oberschenkel nach vorne bewegen.
Therapiemöglichkeiten
Bei den Therapiemöglichkeiten unterscheidet man die konservative Behandlung mit Schmerzmitteln und Muskelaufbau und die chirurgische Versorgung des Kreuzbandrisses.
Die konservative Behandlung kommt bei unseren Boxern nicht zur Anwendung, da sie, wenn überhaupt, nur bei kleinen Hunden bis 10 kg eingesetzt wird.
Die chirugische Versorgung unterteilt man in
a) traditionelle Versorgungsmethoden ohne Veränderung der Biomechanik
b) neuere Versorgungsmethoden mit Veränderung der Biomechanik
Traditionelle Versorgungsmethoden ohne Veränderung der Biomechanik
Hier gibt es sehr viele verschiedene Methoden. Die Unterteilung erfolgt in intra- oder extraartikuläre Techniken und in solche ohne oder mit Bandersatz.
Als Bandersatz werden entweder körpereigene Bindegewebsstrukturen (Sehnen, Faszien von Muskeln) oder künstliche Materialien verwendet. Bei den OP-Methoden ohne Bandersatz (z.B nach Prof. Meutstege) wird die Gelenkkapsel nach Eröffnung gerafft, so dass es in den Wochen nach der OP zu einer starken Fibrosierung (Vernarbung) kommt, die das Gelenk stabilisiert.
Versorgungsmethoden mit Veränderung der Biomechanik
Diese Methoden stabilisieren nicht nur das Gelenk, sondern behandeln vielmehr die Ursache.
1. TPLO (Tibia Plateau Levelling Osteotomy) (Prof. Slocum, USA)
Tibia: lateinischer Name für das Schienbein,
Plateau: Plateau, Ebene,
Levelling: angleichen,
Osteotomy: medizinischer Begriff für Knochenschnitt.
Erst mit den Untersuchungen zum Vorwärtsgleiten des Schienbeines („cranial tibial thrust“) und den Kräfteverhältnissen im Kniegelenk wurden die traditionellen Therapiewege verlassen. Die Rotationsosteotomie des Tibiaplateaus (=Tibial Plateau Leveling Osteotomy; TPLO) wurde von Barclay Slocum, Eugene, Oregon entwickelt, mit dem Ziel, die klinischen Resultate zur Behandlung des vorderen Kreuzbandrisses zu verbessern. Die Idee entstand durch die Erkenntnis, dass das Vorwärtsgleiten der proximalen Tibia (Schienbein) , welches beim Tibiakompressionstest auftritt, auch bei normaler Belastung stattfindet. Die Ursache für diese Vorwärtsbewegung ist das nach hinten geneigte Tibiaplateau. Die beim vorderen Kreuzbandriss auftretende Stützbeinlahmheit, wird unter anderem dadurch ausgelöst, dass beim Vorwärtsgleiten der hintere Anteil des Meniskus gequetscht wird.
Bei der TPLO wird die Biomechanik des Gelenkes so verändert, dass das Vorwärtsgleiten der Tibia verhindert wird. Dies wird durch einen Knochenschnitt im Schienbeinkopf erreicht, der mit einem patentierten bogenförmigen Sägeblatt durchgeführt und dann durch eine spezielle TPLO-6-Loch-Platte wieder stabilisiert wird. Das eingebrachte Metallimplantat muss in der Regel nicht entfernt werden.
Die Methode erzielt sehr gute Ergebnisse, ist aber aufwendig und sehr invasiv, da die krafttragende Achse des Schienbeines zersägt wird und nach der OP nur durch die angeschraubte Metallplatte gehalten wird.
Als Risiko muss man eine erhöhte Infektionsgefahr nennen.
2. TTA (Tibial Tuberosity Advancement) (Prof. Montavon, Schweiz)
Tibial Tuberosity: Knochenvorsprung des Schienbeins an dem das Kniescheibenband ansetzt,
Advancement: Vorlagerung
Bei der TTA wird der Knochenvorsprung des Schienbeins weiter nach vorne verlagert, indem der Ansatz des Kniescheibenbandes angesägt wird und ein kleiner Metallkäfig zwischen die Knochenteile eingebracht wird. Wie weit dieser Knochenvorsprung nach vorne verlagert wird, kann ausgemessen / ausgerechnet werden. Stabilisiert wird der Schnitt durch eine kleine Metallplatte, die in der Regel nicht wieder entfernt werden muss.
Während also bei der TPLO noch der komplette Unterschenkelknochen mit einer Säge durchtrennt und in einer neuen Konfiguration wieder verplattet werden muss, kommt die TTA mit dem Durchtrennen und Verplatten eines kleinen, nicht Gewicht tragenden Teils am Unterschenkelknochen aus.
Diese Methode hat gegenüber der TPLO den Vorteil, dass sie eine schnellere postoperativen Belastung des Beines ermöglicht und dass der gewichttragende Anteil des Schienbeines nicht geschädigt wird. Der Aufwand ist nicht so groß wie bei der TPLO und die Infektionsgefahr geringer.
Die Kosten sind aufgrund der Tatsache, dass das Patent der OP Methode mittlerweile abgelaufen ist, geringer geworden, da andere Hersteller jetzt auch sehr gute Implantate kostengünstiger anbieten.
Bei der TPLO und der TTA handelt es sich je um sogenannte Umstellungsosteotomien. Ziel der Techniken ist es die Krafteinwirkungen auf das Gelenk so zu verändern, dass eine stabile Situation entsteht. Das bedeutet, dass der Unterschenkel durch spezielle Sägeschnittte in seiner Stellung so verändert wird, dass das vordere Kreuzband nicht mehr notwendig ist. Der Knochen wird bis zur Heilung je nach Technik über verschiedene Implantate gehalten.