Die Geschichte des Deutschen Boxers geht weiter

Während man bereits 1905 vor Augen hatte, wie der Deutsche Boxer sein sollte: ein schöner, eleganter Familienhund, frei von jeglichem plumpen Äusseren oder gar abstossender, furchteinflössender Hässlichkeit, dauerte es Generationen, bis in den dreissiger Jahren durch die heute weltbekannte Kynologin Friederun Stockmann der bedeutendste Höhepunkt in der Geschichte des Deutschen Boxers in seiner vollendeten Form erreicht wurde.

 

Über „Pluto“, den Boxer von Philip Stockmann, schreibt sie: „In einer Hinsicht war es der besterzogenste Boxer, den ich je gesehen habe, aber mein Mann hatte ihn öfters längere Zeit in fremde Hände geben müssen und da hatte sich der temperamentvolle Rüde allerhand Unarten angewöhnt. Leider war er u.a. ein berüchtigter Raufbold und Wilderer geworden, der einen starken Sechserbock auf freier Wildbahn zusammenriss und einen ihm an Grösse weit überlegenen Hundegegner mit einem Biss das Rückgrat brach“.

Da Friederun Stockmanns Liebe voll und ganz dem Boxer galt, interessierte sich von Anfang an auch ganz besonders für die Zucht. Sie studierte Boxerliteratur und Richterberichte und verschaffte sich so einen grundlegenden Überblick über den Standard des Boxers. Trotzdem ihr Pluto keinen Stammbaum hatte und (wie sie es selbst beschrieb) eine lose Halshaut (Wamme), eine steile Hinterhand und einen überlangen Rücken, schaffte sie es dennoch, dass Pluto ins Zuchtbuch des Münchner Boxerklubs als „Pluto v.Dom“ (DZB 1521) eingetragen wurde und somit offiziell als Zuchtrüde anerkannt wurde. Die Eintragung kostete damals 2 Mark. Den Namen „vom Dom“ erhielt er, da er sich wie bereits erwähnt, bei Katzenjagden und Raufereien mit anderen Hunden im Bereich des Mainzer Doms einen – sagen wir mal – nicht sehr ruhmreichen Namen gemacht hatte. Die Boxerhündin „Laska“ kam hinzu, doch rieten ihr Experten ab ihren Pluto als Deckrüden für so eine perfekte Hündin zu nehmen.

Rolf v. Vogelsberg, DZB 1183

 

Weder Pluto noch Laska brachten den so ersehnten züchterischen Erfolg für den Zwinger v. Dom. Erst als 1911 einer der wichtigsten Rüden in der Ahnentafel des Deutschen Boxers „Rolf v. Vogelsberg“, DZB 1183 WT 06.07.1908, im Alter von 3 Jahren in den Besitz von Phillip und Friederun Stockmann wechselte, sollte sich das Blatt wenden.

Dampf v. Dom

 

Ihr erster Sieger „Dampf v. Dom“ geb.1912, Sohn von „Rolf v. Vogelsberg“, holte 1914 auf einer Ausstellung in Hamburg in allerschwerster Konkurrenz den Titel und wurde aufgrund eines hohen Gebotes im selben Moment nach Amerika verkauft. Dort verlief sich seine Spur, und erst nach 20 Jahren sollte Friederun Stockmann erfahren, dass Dampf in den USA als erster Boxer Champion geworden war. (Die Besitzer in den USA waren der „Govenor“ des Staates New York und seiner Frau).

 

Der erste Weltkrieg

Der erste Weltkrieg erforderte viele Gebrauchshunde für Melde- und Wachzwecke. Unter den ersten Hunden, die hierfür ausgesucht wurden, waren die erprobten und berühmten Boxer. Sie dienten als Wachhunde, Minenspürhunde und zur Rettung verwundeter Soldaten. Ausserdem brachten sie zuverlässig Nahrungsmittel und Medikamente an schwer zugängliche Orte.

Philip Stockmann beim Ausrücken mit 6 Postenhunden     

Quelle:Friederun Stockmann „Ein Leben mit Boxern“

Rolf v. Vogelsberg, DZB 1183

Rolf v. Vogelsberg“ erhielt 5 Siegertitel, den letzten mit 11 Jahren, nachdem er 4 Jahre lang mit seinem Herrchen Philip Stockmann an der Front gedient hat. Er war der einzige Boxer von 10 Hunden, die an der Seite von Stockmann dienten, der den Krieg überlebte.

Rolf v. Vogelsbergs Nachkommen zwischen 1910 und 1925 waren mit die wichtigsten Rüden der deutschen Zuchtlinien. In direkter Linie zu Rolf waren das: „Rolf Walhall“ DZB 3091 WT 13.11.1911, „Moritz v. Goldrain“ DZB 4369 WT 20.08.1918, „Cäsar v. Deutenkofen“ DZB 5230 WT 05.01.1921, „Buko v. Biederstein“ DZB 7689 WT 01.05.1922 und „Ivein v.Dom“ DZB 17363 WT 21.01.1925.

Iwein v.Dom, DZB 17363

 

Iwein v. Dom“, geb. 21.01.1925 aus der Verbindung von „Zwibel v. Dom“ (einer Enkelin von Rolf v. Vogelsberg ) und Buko v. Biederstein (ein Ur-Urenkel von Rolf v. Vogelsberg), gewann nie eine Ausstellung, blieb aber trotzdem bei Friederun Stockmann, da sie in ihm mehr Potential sah als andere. Dies sollte sich als richtig erweisen. Er brachte den grossartigen Deutschen Champion „Sigurd v. Dom“, hervor.

Sigurd v. Dom mit 14 Monaten

 

Sigurd v. Dom“, geb. 1929, blieb 5 Jahre im Besitz von Friederun Stockmann und erreichte in dieser Zeit nationale Anerkennung als Ausstellungshund und Zuchtrüde, vergleichbar mit Rolf v. Vogelsberg. 1934, wurde er nach Amerika verkauft.

Utz v.Dom

 

Nach dem Krieg wurden Boxer aus der Zucht der Stockmanns, die inzwischen grosse Anerkennung für Ihre exzellenten Hunde erreicht hatten, nach Amerika verkauft um die dortige Zucht zu verbessern.
Diese Boxer, Champion „Sigurd v. Dom“, seine Enkel „Lustig v. Dom“ , „Utz v. Dom“ und „Dorian v. Marienhof“ (alles Nachkommen von Rolf v. Vogelsberg) bilden den Grundstein der amerikanischen Boxerzucht.

 

          Lustig v.Dom, DZB 29518

Lustig v. Dom, wurde übrigens nur verkauft, weil den Stockmanns ein sehr sehr gutes Angebot gemacht wurde, das sie aus finanzieller Not ( man bedenke, dass die Bevölkerung in Deutschland durch den Krieg schwere Not erlitten hat) nicht ablehnen konnte. Glück für die Amerikaner. Lustig erhielt in den USA den Namen Champion „Lustig v. Dom of Tulgey Woods“. Frau Stockmann sah Lustig nie wieder, aber Philip Stockmann, der ein Jahr nach dem Verkauf eingeladen war als Richter der Boxer Austellung in Westminster beizuwohnen, traf Lustig dort wieder.

Lustig mit seinem Vater Zorn v. Dom und Affe Jefke

Der zweite Weltkrieg

Während des zweiten Weltkrieges erhielt Friederun Stockmann Essensmarken für Ihre Hunde und konnte so das Überleben ihrer Tiere und ihrer Zucht gewährleisten. (Die Regierung entschied, dass Schäferhunde und Boxer aufgrund ihrer Brauchbarkeit mit Futter unterstützt werden sollten). Sie bildete ihre Boxer als Meldehunde aus, in der Hoffnung, dass diese Tiere ausserhalb der Feuerlinie arbeiten würden. Auch in diesem Job zeigte sich der Boxer als aussergewöhnlich gut geeignet, was nicht überrascht.

Philip Stockmann mit Lustig

Viele Boxer der Stockmanns wurden während der Weltkriege an der Front eingesetzt. Der Mut der Hunde und die Treue zu ihren Hundeführern kostete fast allen Boxern das Leben. Trotzdem gelang es Friederun Stockmann mit größter Anstrengung eine kleine Anzahl Boxer zu retten. Der Verkauf einiger Ihrer hervorragenden Hunde nach Amerika und England erfolgte aus der Not und Verzweiflung heraus, die 2 Weltkriege mit sich brachten, sicherte aber am Ende den Fortbestand und Erfolg Ihrer Zuchtlinie v.Dom.

Für Friederun Stockmann war es von grosser Wichtigkeit das Wesen und den Körperbau des Boxers auf das genaueste zu erforschen. Sie notierte, skizzierte und fotografierte ihre Ergebnisse äusserst genau. Mit ihren Zeichnungen, Schnitzereien und ihrem Buch „Ein Leben mit Boxern“ hat sie ein Vermächtnis hinterlassen.

Aufgrund ihres einmaligen Urteilsvermögens und Wissens um diese Rasse und ihrer Fähigkeit als Richterin wurde sie oft zu Vorträgen nach Amerika und England eingeladen.

Friederun Stockmann verstarb 1973 in ihrer Heimat Mühldorf. Der Boxerzwinger v. Dom wurde nach ihrem Tod von ihrer Tochter Katharina Gahl-Stockmann weitergeführt. Sie war bis zu ihrem Tod im Jahr 1993 Gründungsmitglied und Zuchtwartin des Boxer-Klub Inntal/Mühldorf.